Väter-Wochenende vom 24.05 bis 26.05.2019 - Aushalten und Mittragen
Unser diesjähriges Väter-Wochenend-Seminar führte uns nach Lutherstadt Wittenberg.
Hartmut Ast, Familien- und Trauerbegleiter, begleitete uns wieder und führte unsere Seminarreihe fort. Insgesamt nahmen 18 Väter teil, die wie immer aus allen Himmelsrichtungen anreisten. Die diesjährigen Teilnehmer kannten sich noch nicht alle. Sehr schön zu sehen, wie wir als Vätergruppe unkompliziert neue und auch alte Väter wieder begrüßen können.
Dietmar als Ortskundiger organisierte unser Wochenende in der schönen Lutherstadt Wittenberg, die bekanntlich an der Elbe liegt und räumlich sozusagen kurz vor Berlin. Wir trafen nach und nach am Freitagnachmittag zum Kaffee ein. Es wurden bereits Wetten abgeschlossen, wer der letzte Ankommende ist. Kai und Christian aus dem Süden reisten ab Mainz gemeinsam an. Das Wochenende begann für beide bereits in Mainz und beide konnten sich auf der mehrstündigen Autofahrt über sich, den Verein und die Vorstandsarbeit austauschen.
Gegen 17 Uhr starteten wir mit einem Stadtführer zu einem Stadtrundgang, der uns einen Blick in die Geschichte der Stadt und einen Eindruck in das Leben von Luther gab. Unser Abendessen, ein Luthermahl, nahmen wir auf der Terrasse des Hotels ein. Am langen Tisch wurden gute und intensive Gespräche geführt. Die neuen und alten Väter mischten sich untereinander.
Der Titel des Seminars Aushalten und Mittragen wurde am Samstag im dreistündigem Seminarblock aufgegriffen und vertieft. Nach dem Frühstück trafen wir uns alle pünktlich im Seminarraum. Die Tische und Stühle waren in Reihen aufgebaut, einige Väter saßen schon und bevor wir loslegten, packten alle an und bauten die Tische zu einem U um, damit alle sich sehen konnten. In unserer Austauschrunde konnte jeder berichten, wie es einem gerade geht, was die Familie macht, was ansteht, welche Sorgen und Nöte einen begleiten usw. Hier zeigte sich wieder, wie wertvoll unsere Väterrunde ist. Offen und vertraut konnten wir uns mitteilen und austauschen.
Im diesjährigen Seminar Aushalten und Mittragen von Hartmut Ast wurde der Mann in den Fokus gerückt: Die Rolle eines NCL-Vaters zwischen Verantwortungsbereitschaft und Selbstverwirklichung: „Die Kunst, als Mann zu leben“, und „Männer trauern anders“.
Im ersten Vortrag wurden Fragen und Thesen zur Thematik "Mann" aufgestellt. Um nur einige zu nennen: Bist du stolz, ein Mann zu sein? Liebst du deine Männlichkeit? Schaust du auf deinen Vater mit Würde und Achtung?
Aus einer wissenschaftlichen Untersuchung zur Männlichkeit erhielten wir zur eigenen Reflexion und zur Diskussion in kleineren Gruppen die "10 Tipps für mehr Männlichkeit".
Nicht, dass wir alle als gestandene Männer darauf gewartet hätten, aber die Tipps dienen auch als Impulsgeber, etwas ändern zu können. Jedenfalls sollte jeder drei Tipps über die folgende Fragestellung auswählen: Welche dieser Tipps könnten dir guttun?
Danach wurde sich in drei Gruppen zu je sechs Vätern eine halbe Stunde ausgetauscht. "Finde deine Visionen", um einen Tipp mal aufzunehmen, wurde kontrovers diskutiert. Eine These war, dass auch infolge des Alters und der Erkrankung des Kindes bereits Visionen erloschen und Ziele unerreichbar sind. Im Ergebnis der großen Runde haben wir festgehalten, dass es angepasste Ziele unabhängig vom Alter und der Lebenssituation gibt.
Es lohnt sich demnach, auf den Einzelnen angepasste Ziele und Visionen zu haben. Das passt auch zum letzten Tipp, der hier nochmal aufgegriffen wird: "Genieße das Leben. Genieße es, Mann zu sein. Sei stolz auf dich als Mann!".
Ein Mann muss nicht nur äußerlich schön sein, sondern soll es auch von Innen ausstrahlen. Wer nicht genießt, wird ungenießbar. Das sind doch gute Aussichten.
Im zweiten Teil des Vortrags haben wir uns Gedanken zu "Männer trauern anders" gemacht. Der Trauerweg, auf dem wir uns alle befinden, ist ein einzigartiger individueller und persönlicher Weg.
Thesen dienten dazu, sich auch dieser Thematik anzunehmen:
Männer weinen nicht in der Öffentlichkeit.
Männer trauern geheim.
Männer reden weniger über Gefühle und die Atmosphäre muss passen.
In unserer Väterrunde zeigte sich, dass einzelne Väter das nur hier tun. Wie wertvoll unsere Beziehung ist, wurde damit noch einmal sehr deutlich.
Im weiteren Verlauf sprachen wir über Ohnmacht oder Machtlosigkeit. Männer gehen schwer damit um, da Männer handeln möchten. Frauen fühlen und Männer handeln sich durch die Trauer. Wie gehe ich mit Schmerzfallen um?
Die Exit-Strategie wurde als eine Möglichkeit herausgearbeitet. Die vier Traueraufgaben nach James William Worden wurden vorgestellt und intensiv diskutiert. Eine Aufgabe ist, eine neue Identität zu entwickeln und dem Toten einen angemessenen Platz zu geben. Ein Vater fragte, was für einen Platz? Die verstorbenen Kinder trägt er im Herzen. Das passt.
Wir nehmen viel aus dem Seminar mit und im weiteren Tagesverlauf wird das eine oder andere in Gruppengesprächen reflektiert und vertieft.

Nach einer kurzen Pause sammelten wir uns wieder vor dem Hotel, um die Stadtkirche und die kleine Kapelle gegenüber zu besuchen. Bis alle da waren, nutzten einige Väter die Gelegenheit, im gegenüberliegenden Geschäft eine Kleinigkeit für die Mütter oder Partnerinnen zu kaufen.
In der kleinen Kapelle gedachten wir unserer Kinder und zündeten Kerzen an. Reinhard führte die Väter in einem Kreis zusammen und moderierte eine sehr bewegende Andacht. Anschließend haben wir auf dem Marktplatz unser Gruppenbild am Lutherdenkmal gemacht.
Danach teilten sich die Väter in kleinere Gruppen auf. Einige besuchten die Schlosskirche und andere den Marktplatz, um im Café die Gespräche zur Thematik fortzuführen. Über den Tag verteilt konnten mit Hartmut Einzelgespräche geführt werden. Die Möglichkeit wurde gut angenommen.
Am späteren Nachmittag besuchten wir gemeinsam das 360 Grad Panorama von Asisi und versetzten uns in die Lutherzeit vor 500 Jahren. Das Abendessen fand im Hof des Brauhauses statt. Die Gespräche in kleineren Gruppen wurden witterungsbedingt im Gastraum bzw. im Hotel fortgeführt.
Am Sonntag trafen wir uns nach dem Frühstück noch einmal in unserem Seminarraum. Neben dem Rückblick auf unser diesjähriges Väter-Wochenende wurde auch der weite Vorblick gewagt. Das Projekt Seminar für Väter wird dann 2020 in Hamburg mit Reinhard und im Folgejahr in Stuttgart 21 mit Christian fortgeführt. Hartmut Ast konnten wir als Referent für 2020 bereits wiedergewinnen.
Danach verabschiedeten wir uns wieder herzlich mit der Vorfreude auf die nächsten Treffen. Einige Väter nahmen das Angebot eines kleinen Spazierganges noch an.
Vielen Dank an Hartmut Ast für das Seminar, die Impulse, die guten Gespräche und vor allem herzlichen Dank dafür, dass Hartmut uns sehr gerne begleitet, wie er es uns gegenüber in unserer Abschlussrunde betonte.
Dietmar danken wir für die perfekte Organisation und Reinhard für die Andacht zum Gedenken an unsere Kinder.
Wir möchten auch allen Vätern für die Offenheit, die Mitarbeit und die guten Gespräche danken. Besser kann aktive Selbsthilfe nicht sein.
Herzlichen Dank an die AOK für die diesjährige Projektförderung.
Kai Lindemann
Väter-Seminar 2019 – inhaltliche Arbeit
Der inhaltliche Teil des Väterwochenendes griff das Thema: „Die Rolle des NCL-Vaters zwischen Verantwortungsbereitschaft und Selbstverwirklichung“ auf. Unser Referent, der Familientherapeut, Theologe und Trauerbegleiter Hartmut Ast hatte bereits mit uns in den letzten beiden Jahren gearbeitet und so konnten wir zahlreiche Gedankengänge vertiefen.
Nachdem wir im letzten Jahr die dynamischen Entwicklungen in dem Familiensystem mit an NCL-erkrankten Kindern bearbeitet haben, kümmerten wir uns nun stärker um die Männer an sich, die durch die Rollenvielfalt in dem Familiensystem mit ihren Bedürfnissen oft auf der Strecke bleiben.
Wir ließen uns ermutigen, die Gefühle des Mannes anzuschauen, um den individuellen Weg zwischen Selbstverwirklichung und Verantwortung zu finden. So haben uns die „10 Tipps für mehr Männlichkeit“ in intensive Gespräche geführt und die Bereitschaft, sich in der Gruppe zu öffnen erleichtert. Das Thema „Männer trauern anders“ hat dann noch einmal die real existierende Situation einer NCL-Familie aufgegriffen und Hilfestellung für die Bewältigung des Alltags vermittelt.
Bewährt hat sich auch die Begleitung durch H. Ast über die ganze Zeit, so dass wir zwischendurch zahlreiche Gespräche führen konnten.
Jens aus Hannover:
Hartmut Ast stellte uns in seinem Seminar die Frage, was für uns Männer wichtig ist im Leben mit unseren an NCL erkrankten Kindern. (…) Vielen Dank an Dietmar für die tolle Organisation.
Christian aus Stuttgart:
„Männer in ihren verschiedenen Rollen“ – wieder mal hat Hartmut Ast das Wochenende unter ein spannendes und wertvolles Thema gesetzt. Inhalte zum Nachdenken und Diskussionen in kleiner und großer Runde, die nachklingen und die Erkenntnis, wie schnell man über NCL sich selbst vergessen kann. Danke, Hartmut, für die vielen guten Gedanken, die du uns mit auf den Weg gegeben hast.
Dietmar aus Coswig:
Die vielen Gespräche, die wir untereinander führten, geben uns Kraft für den alltäglichen Wahnsinn. Das Seminar „Männer trauern anders“ empfand ich als sehr gelungen. Hartmut Ast kitzelte Emotionen aus uns heraus, die zwar in uns schlummern, aber erst in unserer Väterrunde erwachen.

